Organstreitverfahren der ÖDP und der Tierschutzpartei wegen Einführung einer 2,5 %-Sperrklausel für Kommunalwahlen beim VerfGH NRW eingegangen
Die Ökologische-Demokratische Partei (ÖDP) und die Partei Mensch-Umwelt-Tierschutz (Tierschutzpartei), Landesverbände Nordrhein-Westfalen, haben am 15. Dezember 2016 ein Organstreitverfahren gegen den Landtag eingeleitet, mit dem sie sich gegen die Einführung einer 2,5 %-Sperrklausel für Kommunalwahlen wenden.
Der Landtag hat am 10. Juni 2016 das Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz) beschlossen. Es sieht eine Änderung der Landesverfassung vor, in deren Art. 78 Abs. 1 Satz 3 für die Wahlen der Räte der Gemeinden, der Bezirksvertretungen, der Kreistage und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr eine 2,5 %-Sperrklausel festgeschrieben wird. Zudem wird das Kommunalwahlgesetz entsprechend geändert. Das Kommunalvertretungsstärkungsgesetz ist am 30. Juni 2016 verkündet worden (GVBl. NRW. S. 442) und am folgenden Tag in Kraft getreten.
Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die Sperrklausel, soweit sie für die Wahlen zu den Stadt- und Gemeinderäten sowie den Kreistagen gilt. Sie sehen sich in ihrem Recht auf Chancengleichheit als politische Parteien und auf Gleichheit der Wahl aus Art. 21 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes sowie Art. 1 Abs. 1, Art. 2 der Landesverfassung verletzt. Die Sperrklausel bewirke eine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Erfolgswertes der für einzelne Parteien abgegebenen Wählerstimmen. Stimmen für eine Partei, die an der Sperrklausel scheitere, hätten keinen Erfolgswert, weil dieser Partei kein Sitz zugeteilt werde, obwohl ihr rechnerisch ein Sitz oder mehrere Sitze zustünden. Diese Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Insbesondere gebe es trotz Abschaffung der früheren kommunalwahlrechtlichen Sperrklausel in Nordrhein-Westfalen keine belegbaren Hinweise auf drohende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen infolge einer „Parteizersplitterung“. Ohne Nachweis derartiger konkreter Funktionsstörungen dürfte eine Sperrklausel auch nicht durch Verfassungsänderung eingeführt werden. Die Wahlrechtsgleicheit sei durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes der Disposition des verfassungsändernden Landesgesetzgebers entzogen.
Der Verfassungsgerichtshof hatte im Jahr 1999 entschieden, dass die damals im Kommunalwahlgesetz geregelte 5 %-Sperrklausel mit der Landesverfassung nicht vereinbar war (Urteil vom 6. Juli 1999 – VerfGH 14/98, 15/98 –).
Gegen die aktuelle 2,5 %-Sperrklausel sind bereits von NPD, Piratenpartei, der Partei „Volksabstimmung“, der „Sauerländer Bürgerliste“, der Partei DIE LINKE sowie der PARTEI NRW eingeleitete Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig (Aktenzeichen: VerfGH 9/16, 11/16, 13/16, 14/16, 15/16 und 16/16, Pressemitteilungen vom 4. August, 13. Oktober, 7. Dezember, 14. Dezember und 16. Dezember 2016).
Aktenzeichen: VerfGH 17/16