Organstreitverfahren der Partei DIE LINKE wegen Einführung einer 2,5 %-Sperrklausel für Kommunalwahlen beim VerfGH NRW eingegangen
Die Partei DIE LINKE, Landesverband Nordrhein-Westfalen, hat am 12. Dezember 2016 ein Organstreitverfahren gegen den Landtag eingeleitet, mit dem sie sich gegen die Einführung einer 2,5 %-Sperrklausel für Kommunalwahlen wendet.
Der Landtag hat am 10. Juni 2016 das Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz) beschlossen. Es sieht eine Änderung der Landesverfassung vor, in deren Art. 78 Abs. 1 Satz 3 für die Wahlen der Räte der Gemeinden, der Bezirksvertretungen, der Kreistage und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr eine 2,5 %-Sperrklausel festgeschrieben wird. Zudem wird das Kommunalwahlgesetz entsprechend geändert. Das Kommunalvertretungsstärkungsgesetz ist am 30. Juni 2016 verkündet worden (GVBl. NRW. S. 442) und am folgenden Tag in Kraft getreten.
Die Antragstellerin sieht sich hierdurch in ihrem Recht auf Chancengleichheit als politische Partei und auf Gleichheit der Wahl verletzt. Die Sperrklausel bewirke eine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Erfolgswertes der für einzelne Parteien abgegebenen Wählerstimmen. Bei der allgemeinen Festschreibung dieser Ungleichbehandlung in Art. 78 Abs. 1 Satz 3 der Landesverfassung handle es sich um verfassungswidriges Verfassungsrecht. Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Wahlbewerber seien zentrale und unabdingbare Elemente des Demokratieprinzips, das nach der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 69 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung der Disposition auch des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen sei. Im Übrigen sei die landesverfassungsrechtliche Sperrklausel auch unvereinbar mit den bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen von Demokratieprinzip sowie Wahlrechts- und Chancengleichheit gemäß Art. 20 Abs. 1 und 2, 21 Abs. 1 und 28 Abs. 1 des Grundgesetzes. Damit entfalle zugleich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der (einfachgesetzlichen) 2,5 %-Sperrklausel im Kommunalwahlgesetz. Beeinträchtigungen der Wahlrechts- und Chancengleichheit seien nur bei konkret drohenden und erheblichen Funktionsstörungen des zu wählenden Organs zulässig. Trotz Abschaffung der früheren kommunalwahlrechtlichen Sperrklausel in Nordrhein-Westfalen geben es keine belegbaren Hinweise auf drohende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen infolge einer „Parteizersplitterung“.
Der Verfassungsgerichtshof hatte im Jahr 1999 entschieden, dass die damals im Kommunalwahlgesetz geregelte 5 %-Sperrklausel mit der Landesverfassung nicht vereinbar war (Urteil vom 6. Juli 1999 – VerfGH 14/98, 15/98 –).
Gegen die aktuelle 2,5 %-Sperrklausel sind bereits von NPD, Piratenpartei, der Partei „Volksabstimmung“ sowie der „Sauerländer Bürgerliste“ eingeleitete Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig (Aktenzeichen: VerfGH 9/16, 11/16, 13/16 und 14/16, Pressemitteilungen vom 4. August, 13. Oktober, 7. Dezember und 14. Dezember 2016).
Aktenzeichen: VerfGH 15/16