Kommunale Verfassungsbeschwerden gegen Einheitslastenabrechnungsgesetz erfolgreich
Das Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW vom 9. Februar 2010 wird der bundesrechtlich vorgesehenen Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes in Folge der Deutschen Einheit nicht gerecht und verletzt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Dies hat der Verfassungsgerichtshof mit heute verkündetem Urteil entschieden und damit den Verfassungsbeschwerden von 91 Städten und Gemeinden stattgegeben.
Nach dem Gemeindefinanzreformgesetz des Bundes sind die Gemeinden bis zum Jahr 2019 zu rund 40 v. H. an den finanziellen Belastungen zu beteiligen, die sich für das jeweilige Land aus der seit 1995 erfolgenden Einbeziehung der neuen Länder und Berlins in den bundesstaatlichen Finanzausgleich ergeben. Die – immer schwieriger werdende – Bestimmung der Höhe dieser Landesbelastungen hat der Landesgesetzgeber im Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW für die Jahre 2007 bis 2019 neu geregelt. Hiergegen wandten sich die Beschwerdeführerinnen. Sie machten geltend, die veränderte Berechnungsweise führe zu überhöhten Werten und verletze deshalb die kommunale Finanzausstattungsgarantie. Dem ist der Verfassungsgerichtshof im Ergebnis gefolgt.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams hierzu u.a. aus:
Die neue Einheitslastendefinition des Einheitslastenabrechnungsgesetzes verletze die kommunale Finanzausstattungsgarantie, weil den Kommunen dadurch Mittel vorenthalten würden, die ihnen kraft Bundesrechts zustünden. Die Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden an den Lasten der Deutschen Einheit beziehe sich nach dem Gemeindefinanzreformgesetz des Bundes – neben den verbleibenden Belastungen der Länder im Zusammenhang mit dem „Fonds Deutsche Einheit” – auf die Belastungen, die den alten Ländern aus der Einbeziehung der neuen Länder und des Landes Berlin in den bundesstaatlichen Finanzausgleich entstünden. Der bundesstaatliche Finanzausgleich umfasse gemäß Art. 106, 107 Grundgesetz im Wesentlichen vier Stufen (vertikale Verteilung des Steueraufkommens auf den Bund und die Gesamtheit der Länder, horizontale Aufteilung des auf die Länder entfallenden Steueraufkommens einschließlich des sogenannten Umsatzsteuervorwegausgleichs, Länderfinanzausgleich im engen Sinne, Bundesergänzungszuweisungen). Auf allen diesen Stufen sei es im Zuge der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zum Jahr 1995 zu Veränderungen gekommen. Bestandteil der Neuordnung sei die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder von zuvor 37 auf 44 Prozentpunkte gewesen. Diese Rechtsänderung auf der ersten Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs senke die Einheitslast der Länder und müsse auch den Kommunen im Verhältnis ihrer prozentualen Beteiligung zugute kommen. Das Einheitslastenabrechnungsgesetz werde dem insoweit nicht gerecht, als es sich auf eine Quantifizierung der jährlichen einheitsbedingten Mehrbelastung des Landes im Länderfinanzausgleich im engen Sinne beschränke.
VerfGH 2/11