Kommunale Verfassungsbeschwerden gegen Braunkohlenplan Garzweiler II erfolglos
Der Verfassungsgerichtshof NW hat durch heute verkündetes Urteil die gegen den Braunkohlenplan Garzweiler II erhobenen kommunalen Verfassungsbeschwerden der Gemeinde Jüchen, der Städte Erkelenz, Wegberg, Mönchengladbach und Viersen sowie des Kreises Heinsberg zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer hatten mit ihren Verfassungsbeschwerden eine Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung geltend gemacht: Der im Braunkohlenplan festgelegte Vorrang eines Abbaus von Braunkohle vor anderen Nutzungen entziehe weite Teile ihres Gemeinde- bzw. Kreisgebiets einer eigenen durchsetzbaren Bauleit- oder Landschaftsplanung. Die außerhalb des Abbaugebiets gelegenen Gemeinden Wegberg und Viersen hatten vor allem auf mögliche Folgen von Sümpfungsmaßnahmen (Absenkung des Grundwasserstandes) für ihr Gemeindegebiet hingewiesen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsbeschwerden der Städte Wegberg und Viersen als unzulässig, die Verfassungsbeschwerden der weiteren Beschwerdeführer als unbegründet zurückgewiesen. In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams u. a. aus:
Die Städte Wegberg und Viersen seien durch den Braunkohlenplan Garzweiler II rechtlich nicht betroffen. Der in diesem Plan dargestellte Abbaubereich erfasse nicht ihr Gemeindegebiet. Sie würden allenfalls durch tatsächliche Auswirkungen eines künftigen Tagebaus berührt. Diese Auswirkungen knüpften indes nicht unmittelbar an den Braunkohlenplan an. Wenn sie einträten, wären sie Folge derzeit noch ausstehender anderer Entscheidungen wie der bergrechtlichen Zulassung von Betriebsplänen oder wasserrechtlicher Erlaubnisse.
Die anderen Beschwerdeführer würden durch den Braunkohlenplan nicht in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt.
Der Braunkohlenplan beruhe auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Insbesondere sei der Braunkohlenausschuß für die Braunkohlenplanung demokratisch legitimiert. Dies gelte auch für die Mitglieder der Regionalen Bank, die aus dem Kreis der stimmberechtigten Mitglieder der Bezirksplanungsräte Köln und Düsseldorf berufen würden. Die demokratische Legitimation ihrer Mitwirkung im Bezirksplanungsrat umfasse zugleich die demokratische Legitimation für eine Mitwirkung in dem Braunkohlenausschuß als einem Sonderausschuß. Außerdem verleihe ihnen die Bestätigung ihrer Berufung durch die Bezirksregierung demokratische Legitimation. Letzteres gelte entsprechend für die Mitglieder der Funktionalen Bank, d.h. die Vertreter der Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Landwirtschaftskammer, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und der Landwirtschaft.
Der Braunkohlenplan Garzweiler II schränke zwar die verfassungsgeschützte Planungshoheit der Beschwerdeführer ein. Dies sei jedoch durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht, nämlich durch die Erfordernisse einer langfristig gesicherten Energieversorgung gerechtfertigt. Insoweit komme dem Verfassungsgerichtshof nur eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit zu. Die Prognose über den künftigen Energiebedarf habe die Landesregierung auf der Grundlage eines hierfür eingeholten Gutachtens getroffen. Die Frage, wie dieser Energiebedarf zweckmäßig gedeckt werden solle und in welchem Umfang herkömmliche Energieträger durch alternative Energieträger ersetzt werden könnten, sei einer verfassungsgerichtlichen Beurteilung weitgehend entzogen. Es sei eine in erster Linie politische Wertentscheidung, auch künftig auf die Braunkohle als eine sichere einheimische Energiequelle zu setzen.
Verfassungsrechtlich könne nicht beanstandet werden, daß der Braunkohlenausschuß das überörtliche Interesse an dem Abbauvorhaben Garzweiler II als Bestandteil einer gesicherten Energieversorgung diesbezüglichen Leitentscheidungen der Landesregierung entnommen habe. Der Braunkohlenausschuß habe sich damit in rechtlich zulässiger Weise sachliche Vorarbeiten und energiepolitische Wertungen der Landesregierung zu eigen gemacht. Der Braunkohlenausschuß habe willkürfrei die Sachkompetenz für die Formulierung energiepolitischer Zielvorstellungen, in die der Braunkohlenplan sich einzupassen habe, bei der Landesregierung gesehen und deren Leitentscheidungen "als eine unter mehreren Entscheidungshilfen" in seine Abwägung einbezogen. Eine willkürliche Verkürzung des Abwägungsvorgangs zu Lasten der kommunalen Planungshoheit sei damit nicht verbunden gewesen.
Offenbleiben könne, ob nach dem Landesplanungsgesetz Braunkohlenpläne aus einem Landesentwicklungsplan mit dem Gegenstand "Abbau von Lagerstätten" zu entwickeln seien. Das Fehlen eines entsprechenden Landesentwicklungsplans zum Zeitpunkt der Aufstellung des Braunkohlenplans habe weder eine erforderliche Mitwirkung des Parlaments noch eine Beteiligung der Gemeinden verkürzt. Der Braunkohlenplan Garzweiler II sei nämlich parallel zu dem Landesentwicklungsplan NRW vom 11. Mai 1995 entwickelt und aufgestellt worden.
- VerfGH 20/95 u.a. -